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Die Stadt Wil hindernisfrei: Der Stadtplan für alle ist online

26. April 2017
Menschen mit einer Behinderung sollen ihr Leben möglichst eigenverantwortlich und selbstbestimmt gestalten und aktiv an Gesellschaft und Wirtschaft teilhaben können. Seit Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung im Jahr 2000 und der darauf basierenden Behindertengesetzgebung 2004 bestehen die rechtlichen Grundlagen für ein behinderten- und betagten gerechtes Bauen. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis in sämtlichen öffentlichen Bauten und Anlagen die notwendigen Anpassungen für den diskriminierungsfreien Zugang aller Behinderungsgruppen vorgenommen sind.
Dies ist auch in Wil der Fall. Dennoch möchte die Stadt Wil schon heute einen Beitrag zur Gleichstellung von Menschen mit einer Behinderung leisten. Alle Mitbürgerinnen und Mitbürgern sollen ein möglichst selbständiges Leben führen können. Dies unterstützt der offizielle Wiler Online-Stadtplan mit dem neuen Modus ‘hindernisfrei’. Mit dieser Funktion können Nutzerinnen und Nutzer online überprüfen, ob beispielsweise ein Gebäude barrierefrei zugänglich oder eine rollstuhl-gängige Toilette vorhanden ist. Die Stadt Wil freut sich, als Pilotgemeinde mit diesem Projekt eine Vorreiterrolle zu übernehmen.

Lokale Ortskenntnisse der Pro Infirmis und der Heimstätten Wil
Diesen hindernisfreien Ortsplan der Stadt Wil erst möglich gemacht hat die engagierte Zusammenarbeit mit der Fachstelle Inklusion der Pro Infirmis und den Heimstätten Wil: Seit dem offiziellen Projektstart vor gut einem Jahr haben deren Beauftragte ihre lokalen Ortskenntnisse eingebracht, um die entsprechenden Points of Interest (POI) aufnehmen und über ein Online-Tool direkt im Wiler Stadtplan erfassen zu können. Dieses Erfassungssystem kann nun nach Abschluss der Pilotphase auch in anderen Gemeinden zum Einsatz kommen.

Ergänzung zum digitalen Ortsplan citymaps.ch
Als Plattform für das neue Pro Infirmis-Angebot dient citymaps.ch. Dieser intuitiv bedienbare Online-Ortsplan wurde von der GEOINFO AG als Betreiberin verschiedener Geoportale der IG GIS AG entwickelt. Die IG GIS ist ein Zusammenschluss kantonaler und kommunaler Verwaltungsstellen des Kantons St.Gallen und beider Appenzell. Mit einem Klick finden sich auf Citymaps alle vor Ort verfügbaren Einträge zur Stadt Wil. Die umfassende Volltextsuche macht den digitalen Stadtplan zudem auch zum Suchportal, um sich über das lokale Angebot an Freizeit, Konsum, Unterhaltung, Gesundheit und Verkehr zu informieren. Mit ihrem Stadtplan für alle ist Wil richtungsweisend auf dem Weg zur hindernisfreien Gemeinde.



Link zum Stadtplan: www.stadtwil.ch/stadtplan

Interview: Was Direktbetroffene meinen – hindernisfrei in der Praxis

Die Pro Infirmis hat zwei Personen mit Handicap in ein Restaurant nach Wil eingeladen und sie gebeten, sich dabei am neuen digitalen Wiler Stadtplan zu orientieren. Roger Lieberherr reiste per Auto an, während Asim Duratovic den Zug benutzte. Markus Böni von der Pro Infirmis unterhielt sich mit den beiden über ihre Erfahrungen.

Herr Duratovic, haben Sie das Café mit dem Stadtplan gut gefunden?
Ja, das ging problemlos! Ich konnte mich mit dem Stadtplan von Wil gut orientieren. Vor allem die aktuelle Luftbildaufnahme gefiel mir sehr gut. Anhand dieser Karte konnte ich mich auch über die Bodenbeschaffenheit und andere für mich wichtige geografische Orientierungspunkte informieren.

Herr Lieberherr, wie haben Sie die Informationen zur Zugänglichkeit des Cafés empfunden?
Ich war zuerst etwas erstaunt, von der Pro Infirmis in ein Café eingeladen zu werden, das mit dem Symbol «unzugänglich» im Plan aufgeführt ist. In den Detailinformationen war jedoch zu lesen, dass der Zugang für mich kein Problem sein wird. Das einzige Hindernis bestand darin, dass sich die Tische nicht leicht verschieben lassen. Hier zeigt sich, wie unterschiedlich die Bedürfnisse und Ansprüche von Personen mit einem Handicap an die baulichen Gegebenheiten von Gebäuden sind.

Herr Duratovic, wo sehen Sie für sich die Vorteile dieser Informationsplattform?
Bis anhin waren Spontanreisen für mich als Rollstuhlfahrer fast unmöglich. Ich musste mich immer sehr gut vorbereiten und verschiedenste Informationsquellen konsultieren. Die von der Pro Infirmis erarbeiteten Informationen erleichtern mir die Planung einer Reise sehr. So kann ich jetzt sehen, wo sich die nächsten WC-Anlagen befinden und wie die Abmessungen des Raums sind. Oder wie weit weg sich mein Ziel vom nächsten rollstuhlgängigen Bahnhof oder Bushaltestelle befindet. Wünschenswert wäre ein integrierter Routenplaner mit Angaben zur Bodenbeschaffenheit: Pflastersteinbeläge habe ich als Rollstuhlfahrer nicht so gern.

Herr Lieberherr, was schätzen Sie am hindernisfreien Ortsplan besonders, was ist zu verbessern?
Wie Herr Duratovic bereits erwähnte finde ich es sehr gut, dass ich jetzt nicht mehr an verschiedenen Orten die Informationen zusammensuchen muss: Hier das Verzeichnis mit den Rollstuhlparkplätzen, dort die Liste der rollstuhlgängigen WC-Anlagen. Zudem ist die Detailinformation mit den genauen Massangaben sehr hilfreich. So kann ich selber entscheiden, ob die WC-Türbreite für mich ausreicht, obwohl diese vielleicht nicht der offiziellen Norm entspricht. Auch die Volltextsuche und die Filterfunktion erleichtert die Suche nach dem gewünschten Objekt. Verbesserungspotenzial bietet sich bezüglich den Fotos. So wäre zum Beispiel ein Foto eines Rollstuhlparkplatzes mit einem seitlich hohen Trottoir-Rand sehr informativ: Ich wüsste dann, dass ich dieses Parkfeld mit meiner seitlichen Ausstiegshebebühne nicht verwenden kann.

Wir bedanken uns bei den beiden Herren und wünschen eine gute und hindernisfreie Heimreise.
Interview: Markus Böni, Fachstelle Inklusion Ostschweiz Pro Infirmis